-2011-
Sie ist im Wald.
Auf einer Lichtung.
Sie läuft.
Dann geht sie.
Sie gelangt an eine Holzhütte. Dort, ein freier Blick nach vorn, als würde sie jemand überirdisches betrachten.
"Bist du es?" : fragt sie ganz leis. Doch es bleibt, die Stille.
Vorn an der Bretterbude ist ein kleines Kreuz angebracht, direkt über der Tür. Doch das sieht sie nicht. Bleibt diese im Rücken, als sie an dem Gebäude vorbei schreitet.
Sie hält sich fest, an einem Holzgeländer, der sich bis zu einem Ende dieser Lichtung zieht. An diesem Balken, darüber, lässt sie ihren Griff lockerer werden und nimmt beim gehen diese nicht davon. Sie lässt sie leicht darüber streichen, weil sie fühlen will. Ist sie doch innerlich leer, sieht, spürt aber nicht.
Sie schaut durch die Blätter in das Licht, welches sich auch an den Ästen, bis zum Baumstamm, von oben nach unten, breiter werden lässt.
Sie schreitet weiter und ihr Blick wird starr, als sie das letzte Stück des Weges genommen hatte. Dann wandern ihre Augen in den darunter liegenden Abgrund.
Da, Wasser, seicht und mit Steinen, die hier und dort das Flussbett auskleiden. Es fließt laut. Das laute Plätschern erfüllt nun die Luft. Der Wind, er weht ihr in der Kleidung, durch ihre Haare, durch ihr Gesicht. Bedrohlich wirkt es auf sie, aber auch mit einen Gefühl voller Freiheit, die nach ihr schreit. Als würde das vorbeifließende Element, jedoch, nur zu ihr flüstern:
"Sieh mich an,
du müsstest mich erkennen,
seit deinen ersten Stunden,
da war ich um dir herum,
denn dein junger Körper,
du,
du lagst in mir,
ich bot dir Schutz,
war bei dir."
"Dein Körper speichert mich,
du brauchst mich,
weil ich ernähre dich,
immer würdest du nach mir suchen,
dich mit mir waschen,
kochen, trinken, Feuer löschen,
mit meiner Hilfe,
in deinem Bauch,
irgendwann ein neues Leben tragen."
"Und bist du unheilbar lebensmüde,
kannst deine Meinung nicht ändern,
auch nicht mit fachkundiger Hilfe anderer,
dann biete ich dir an,
komm mit mir,
lass dein Körper wieder vergehen, in mir,
ich nehme dich mit mir,
lasse dich mit mir fließen,
bis in jede, deine Freiheit."
Sie hört zu, streckt die Beine über die Brüstung. Lehnt sich nach vorn. Ihre Füße sind fest aufgesetzt und ihre Hände, ihre Arme halten sie noch am Leben fest. Sie stirt immer noch hinab. Sie überlegt:
"Soll ich, oder soll ich nicht?" Spricht zu sich.
Die Strömung, sie brüllt gar nach ihr, will sie haben. Machte vorn herum auf sanft, hintenherum auf mächtig, weil sie dir den Atem nehmen kann, du qualvoll ertrinken kannst, nicht sanft. Hört:
"Ich kann dich krank machen,
deine Arme und Beine überfüllen,
sie schwer werden lassen,
ich kann auch deine Lungen,
fett und voll mit Wasser machen,
dir das Atmen schwerer werden machen,
dir genauso das Leben nehmen,
ob du willst oder nicht,
dein Weg wird so oder so in mir enden!"
"Spring,
und ertrinke in mir,
sei bei mir!"
Da bekommt sie es mit der Angst. Ihr Blick wird wieder klar. Dieses eine Gefühl ist einfach zu stark. Sie lässt sich nicht bedrohen, diese Schreierei ist ihr völlig egal. Wenn sie, sie überfiele, würde sie gegen ihren, Sein-nehmen-wollenden-Pein, ankämpfen. Das tat sie schließlich schon immer.
Da kletterte sie zurück, zog ihre auf beiden Schultern liegenden Jacke wieder gerade. Symbolisierte, damit: "Lass mich in Ruh, kriegen wirst du mich so einfach nicht, ergeben werde ich mich dir (jetzt noch) nicht!"